Gedankenspiele

Authentisch sein – Kann man das? Will man das?

Focus dieses Aufsatzes soll die Authentizität von Personen sein. Wohl wissend, dass diese Begrifflichkeit auch auf viele andere Bereiche anwendbar ist.
https://de.wikipedia.org/wiki/Authentizit%C3%A4t

Ich möchte, in Anlehnung an den Titel des Buchs von David Precht, die Frage stellen: „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“

Wir sollten uns bewusst sein, dass wir, wenn wir unter Menschen sind, ständig wahrgenommen und (meist sogar unbewusst) bewertet werden. Immerzu bildet sich jemand einen Eindruck von und eine Meinung über uns. Diese sind dann mindestens ebenso vielfältig, wie die Menschen, die uns wahrnehmen und müssen mit unserem eigenen Selbstbild nur wenig zu tun haben.
Dieses Bild, welches in den Köpfen unserer Gegenüber entsteht, können wir im Idealfall durch ein authentisches, kongruentes, emphatisches Auftreten und Verhalten maßgeblich beeinflussen. Genau das ist eine der Grundlagen dafür, dass sich jemand im Kontakt mit uns wohl fühlt und uns sympathisch findet, genau dann schreibt man uns automatisch und oft unbewusst positive Eigenschaften wie z.B. Fachkompetenz, Freundlichkeit und Gewissenhaftigkeit zu?
https://nags.at/wissen/authentizitaet-kongruenz-empathie/

Aber was ist überhaupt authentisch, kongruent und emphatisch?
Verhalten ist
– authentisch, wenn zwischen Schein und Sein kein Unterschied besteht.
– kongruent, wenn die verbale und nonverbale Kommunikation übereinstimmt.
– emphatisch, wenn man die Fähigkeit hat, sich in andere hineinzuversetzen und Mitgefühl zu haben.
https://de.wikipedia.org/wiki/Authentizit%C3%A4t

Soweit die Theorie. Wenn man diesen Anspruch an sich und seine Umgebung hat und diesen mit aller Konsequenz durchziehen möchte, kollidiert das oft mit unserem eigenen, aktuellen Wunsch zielgerichtet einen besonders „guten“ Eindruck zu vermitteln, Ansprüchen des sozialen Miteinanders zu genügen oder wird für die Beteiligten unverständlich oder sogar unzumutbar. Nicht zuletzt kann die bedingungslose Authentizität mit der ebenso vehement eingeforderten Empathie konkurrieren.

Es fängt schon damit an, dass man sch darüber klar werden muss, welche Vorstellung man von seiner eigenen Authentizität hat, ob diese mit seiner äußeren Darstellung kongruent ist und in seiner Umgebung emphatisch umgesetzt werden kann.

Menschen verhalten sich regelmäßig je nach Situation anders, da man anderen Rollenmustern gerecht werden muss.
So muss der Hilfsarbeiter im Betrieb den Anweisungen des Vorarbeiters Folge leisten und auf Verlangen, meist ohne Mitspracherecht, einfachste Handlungen durchführen, deren Sinnhaftigkeit sich ihm nicht immer erschließen, da er die geschäftlichen Notwendigkeiten meist nicht kennt.
Als Familienvater muss er hingegen zu Hause und in der öffentlichen Vertretung der Familie richtungsweisende Entscheidungen in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, sowie der rechtlichen Vertretung und Erziehung treffen.
Um dabei jeweils ernst genommen zu werden, muss er entsprechend der aktuellen Rolle sein Auftreten anpassen. Zu Hause muss er aus der Rolle des Befehlsempfängers in die Rolle des Entscheidungsträgers schlüpfen und diese möglichst authentisch, kongruent und emphatisch ausfüllen.
Aus dieser Erkenntnis hat man gefolgert, dass ein Mensch mehrere authentische Wesenszüge haben kann, je nach dem, welche Rolle er aktuell bekleidet.

Die oben beschriebene Auf- und Abwärtskompatibilität birgt natürlich mannigfaltige Fallstricke, denn der gute Erfolg stellt sich erst dann ein, wenn das Trio Authentizität, Kongruenz und Empathie ausgewogen zur Geltung kommt.
Wer als Motorradfahrer in seiner Lederkutte zu einem Geschäftstreffen kommt und die Bedenken des Gegenübers großspurig unter Verwendung unangepasster Wortwahl und Gestik abtut, muss sich nicht wundern, wenn er erfolglos bleibt. Auch wenn ihm gerade nach so einem Auftritt zumute ist.
Wer seine „unerwartete“ Erscheinung aber mit sachkundigen Einlassungen und einer zuvorkommenden aber nicht übertrieben distinguirten Gesprächsführung garniert, kann eher erwarten anerkannt zu werden. Seine Individualität macht ihn in diesem Fall vielleicht sogar interessanter und wertet ggf. sogar seine Person und sein Anliegen auf. 
Bei einem Treffen mit den Hells-Angels wären die Erfolgsaussichten wahrscheinlich umgekehrt.

Und jetzt? Alles egal, ich bin halt so oder doch lieber situativ angepasst?

Jeder wie er mag. Man muss nur wissen was man will und sich entsprechend verhalten.
Der willentlichen Anpassung seines Verhaltens an die jeweilige Situation sind natürlich Grenzen gesetzt. Wenn einer der drei Parameter aus dem Ruder läuft oder ausbleibt, wird der Gegenüber das schnell feststellen und unterstellen, dass man unehrlich ist oder sich zumindest verstellt. Das verleitet dann dazu, diese Unehrlichkeit auch dem ganzen Geschehen zu unterstellen. Das wird dazu führen, dass man als unsympathisch wahrgenommen wird und dass man eher erfolglos bleibt. Wahrscheinlich genau das, was man normalerweise nicht will.

Wohl dem, der sich dessen bewusst ist, sein Verhalten reflektieren kann und sich situativ vorbereitet. Der Elefant im Porzellanladen wird sich mit einem mageren Ergebnis zufriedengeben müssen, ist er aber vielleicht genauso zufrieden. Das kann auf jeden Fall so lange gelten, wie ihm die Meinung des Gegenübers oder der Ausgang des Geschehens einerlei ist.

Aber eines sollte bedacht werden: Menschen denken und handeln auf Grund ihrer Veranlagung häufig äußerst intuitiv und leider auch mit Vorurteilen behaftet. Der erste Eindruck ist oftmals auch für die Zukunft prägend. Sollte man im Erstkontakt mit einer negativen Eigenschaft in Verbindung gebracht werden, wird es oft recht schwer fallen diese Konnotation umzukehren.
https://meinungundbericht.com/gedankenspiele/15/

 Authentisch sein – Kann man das? Will man das?

Man kann es und eigentlich ist es das, was man am besten kann. Aber manchmal muss man die Folgen bedenken und abwägen, ob es opportun ist und Preis dafür eventuell zu hoch ist.
Oder man muss den Preis zahlen.