Gesundheit

Organ-Versagen

(Quelle: Die Politische Meinung, Nr. 582, Professor Bernhard Banas, Leiter Transplantationszentrum Uni-Klinik Regensburg, Vorsitzender der Ethikkommission und etliche Aufgaben mehr)

In Deutschland an einem Organversagen zu erkranken ist lebensbedrohlicher als in vergleichbaren anderen europäischen Ländern.
Herzversagen, Leberausfall oder Lungenversagen sind Todesurteile, wenn kein lebensrettendes Implantat zur Verfügung steht. Lediglich beim Nierenversagen steht dem Patienten die Dialyse zur Verfügung, was aber immer mit einem eklatanten Verlust an Lebensqualität und Lebenszeit verbunden ist. Eine erfolgreiche Nierentransplantation ist die einzige Chance die um 50% gesunkene Lebenserwartung wieder zu verbessern.

Wie konnte es dazu kommen, dass wir in Deutschland im europäischen Vergleich so schlecht dastehen?
Stand 31.12.2022 lebten in Deutschland 84,4 Millionen Menschen. Davon sind 8.826 Patienten als Anwärter für ein Spenderorgan gemeldet. Gemeldet werden aber nicht alle potentiellen Bedürftigen, auch weil die Wartelisten so lang sind, dass Schwerstkranke erst gar nicht auf die Liste gesetzt werden. Für viele Patienten ist nämlich nicht zu erwarten ist, dass sie die Zuteilung eines Spenderorgans noch erleben würden.
Die Deutsche Transplatationsgesellschaft ist der Meinung, dass alleine bei den Nierentransplantation ein vorsichtig geschätzter Bedarf von 20.000 bis 30.000 Spenderorganen bei ca. 100.000 Dialysepatienten bestünde. Die Hochrechnung auf die anderen Patienten, die auf ein anderes lebensrettendes Organ warten, kann entsprechend erfolgen.
In anderen europäischen Staaten leben dagegen zum Teil sogar mehr Nierentransplantierte als Dialysepatienten.
Der Newsletter Transplant des Europarates fasst das in Zahlen. Im Mittel der Jahre 2019 – 21 erhielten in Deutschland 41,5 Patienten/Millionen Einwohner ein Implantat. In den USA 116,6 in Spanien 102,2. In zwanzig Ländern Europas wurden mehr Transplantationen durchgeführt als in Deutschland.

Fazit: Im Falle eines Organversagens hat man in Deutschland ein weit überdurchschnittliches Sterberisiko als im Rest Europas

Woran liegt das?
Das liegt einzig und allein an der niedrigen Zahl der Organspender in Deutschland.
Die Transplantationsmedizin ist nämlich einer der wenigen Bereiche, der von der Kapazität der Krankenhäuser und Ärzte bestens ausgestattet ist.

Innerhalb Deutschlands starben erstmals nach dem 2. Weltkrieg über eine Millionen Menschen. Es gab aber nur 869 postmortale Organspender und 676 Lebendspender.
Gemessen an dem Bedarf sind wir also in erheblichem Umfang auf Organimporte aus dem Ausland angewiesen und das bereits über viele Jahre!
In den Niederlanden gibt es z.B. viermal mehr Lebendorganspenden, in den USA dreimal und in den Skandinavischen Ländern, der Schweiz und Großbritannien doppelt so viele.

in Deutschland ist bei der Bevölkerung und den Politikern die Skepsis gegenüber Organspenden unglaublich hoch. Dabei ist die Transplantationsmedizin eine der best geregelten und überwachten Medizinbereiche.
Wegen umfangreicher politischer Querelen gibt es in Deutschland immer noch die unsägliche „Entscheidungsregelung“. Ist ein Patient verstorben, werden die Hinterbliebenen während ihres Verlustschmerzes mit der Frage nach einer Organspende konfrontiert. Ein unsäglicher Vorgang!
Kein Wunder, dass die Entscheidung meist negativ ausfällt. Die Vorstellung, dass ein Mensch unversehrt ins Grab überführt werden sollte, ist dank der religiösen Verblendung immer noch weit verbreitet. Lieber ein lebensspendendes Organ im Sarg verrotten lassen, als dass damit ein Kranker wieder gesund wird und ein lebenswertes Leben führen kann. Hauptsache mein Angehöriger liegt unversehrt im Grab!

Organlebendspenden sind im Vergleich zum übrigen Europa auf ein Minimum reduziert, nicht zuletzt, weil der Spender juristisch gesehen „vor sich selber geschützt werden soll“. Das kann dazu führen, dass einem spendungswilligen Vater die Lebendspende für sein sterbenskrankes Kind verweigert wird. Wenn dann kein postmortales Spenderorgan verfügbar ist, muss das Kind eben sterben.

Die rechtliche Situation im Organspendebereich ist mehr als überholt. Das Transplantationsgesetz gibt zum Beispiel vor, dass die Organvergabe „insbesondere nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht“ vorgenommen werden soll. Meist wird die Dringlichkeit vor Erfolgsaussicht gestellt. Aufgrund der langen Wartelisten bekommen dann z.B. Leberpatienten auf Grund der Dringlichkeit ein Lebertransplantat, wenn der Körper bereits so geschwächt ist, dass der baldige Tot, trotz Transplantation, nicht verhindert werden kann.

Die dringend benötigte Widerspruchslösung ist aus politischem Kalkül und zum Schaden der Patienten verworfen worden.
Der Rat von Fachleuten und sogar der anscheinend mehrheitliche Wille der Bevölkerung wird von uneinsichtigen Politikern konsequent ignoriert.
Das Bremserhäuschen ist voll besetzt und Deutschland wird auch hier mal wieder europaweit links und rechts überholt.

Auch bei der Widerspruchslösung, die in weiten Teilen Europas gilt, muss niemand Organe spenden, er muss sich nur mindestens einmal im Leben mit dem Thema auseinandersetzen.

Deutschland müsste konsequenter Weise auf Grund seines Sonderweges aus dem Organspendeverbund Europlant austreten. Jetzt stellen wir uns als Weltmeister der Doppelmoral vor und begehen hundertfachen Rechtsbruch, weil wir Spenderorgane aus dem Pool entgegennehmen, die nach der in Deutschland verbotenen Widerspruchsregelung entnommen wurden.
Der Irrsinn setzt sich dort fort, wo Spendenverweigerer selber dankbar ein Spenderorgan entgegen nehmen.

Die Probleme in er Transplantationsmedizin sind erdrückend, lebensgefährlich und menschenverachtend!
Man muss multiples Organ-Versagen attestieren, bei vielen kranken Menschen, insbesondere aber in der Politik!

Es gibt viel zu tun. Wir sollten uns den Regelungen der anderen europäischen Staaten annähern!
– Widerspruchslösung einführen
– Organentnahme nicht nur nach Hirn- sondern auch nach Kreislauftot
– Verbesserung der Regelungen für Lebendspenden