Politik

Staatsform und Politik

Wir dürfen uns von dem rein philosophischen Gedanken verabschieden, dass es den guten Despoten gäbe. Dieser wüsste alleinherrschaftlich, was den Menschen gut täte, sein Handeln daran selbstlos ausrichten und würdige Nachfolger finden. Er würde alle Mittel im Sinne der Gemeinschaft einsetzen und für einen gerechten Ausgleich auf der Welt sorgen. Rivalisierende Nationen, Hegemonialmächte mit unterschiedlichen Interessen gäbe es nicht, Clans und Familien müssten nicht um Ressourcen streiten. Er würde die Umwelt lebenswert erhalten, das Tierwohl achten und das Klima schonen.
Das Beste, er müsste sich nicht langen Verhandlungen und Entscheidungsprozessen unterziehen, die eine Demokratie und den Interessenausgleich so anstrengend machen.
Kurzum, ein biblisches Paradies und somit im besten Sinne des Wortes reiner „Unsinn“!

Ich unterstelle daher, dass man somit in der, meiner Meinung nach, zweitbesten Staatsform leben möchte. Die freiheitlich demokratische Grundordnung gibt es aber nicht zum Nulltarif. Man muss gewisse Restriktionen dieses Modells mehr oder weniger akzeptieren und jeder muss sich einbringen. Außerdem, wie bei allen Modellen, ist die Reinform kaum praktikabel.

Es wird schwierig. Wie legitimiert man eine Demokratie, wie und wer richtet sie ein, wie definiert man Freiheit und wie die gesellschaftlichen Ziele? Eine der wichtigsten Fragen stellt sich dann direkt. Wer kontrolliert das System systemgerecht?
Und dann, wie nah kann man an das Ideal heranreichen und ab wann wird das selbstzerstörerisch?

Wie legitimiert man eine Demokratie?
Ist es wirklich der intrinsische Wunsch eines Menschen in einer Demokratie zu leben?
Es gibt jede Menge Staatsformen auf der Welt. In welcher man sich wohl fühlt hängt wohl sehr damit zusammen, in welcher man aufgewachsen ist, sich gewertschätzt und sicher fühlt. Daran hängen viele Fragen. So z.B. die, was ich von der vorherrschenden Staatsform erwarte? Soll sie fürsorglich, laissez faire, religiös, atheistisch sein?
Keine Ahnung, was ein Mongole, Kenianer, Eskimo oder ein anderer Mensch präferiert.
Für mich legitimiert sich die Demokratie dadurch, dass sie dem Individuum die größtmögliche Freiheit zur Selbstentfaltung und ein großes Maß an Sicherheit bietet. Darüber hinaus haben die Mitglieder Beteiligungsmöglichkeiten an den Staatsgewalten, die auf verschiedene, weitgehend unabhängige Gruppen der Gesellschaft aufgeteilt sind und die Institutionen und ihre Handlungen werden wirkungsvoll kontrolliert.
Aber gibt es nur die eine Demokratie? Nein, es gibt viele Ausformungen. Es gibt präsidiale, direkte, monarchistische, föderale, zentrale, um nur einige zu nennen.

Unschwer zu erkennen, dass ich in einer demokratischen Gesellschaft aufgewachsen bin und mich in dieser wohl fühle. Obwohl ich konstatieren muss, dass es etliche Verbesserungsmöglichkeitengäbe.

Jetzt wird es sehr individuell, da ich mich in dieser Ausarbeitung fast ausschließlich auf eine von mir erlebte Demokratie in Deutschland beziehen möchte. Ich möchte mich nicht mit idealisierten und rein theoretischen Möglichkeiten auseinandersetzen. Menschen und deren Systeme sind unvollkommen! Alles andere würde diesen Rahmen sprengen!
Ich möchte die vorherrschende Staatsform nicht beseitigen, sondern Verbesserungsvorschläge machen. Diese müssten natürlich bestenfalls von Fachleuten hinterfragt und auf Umsetzbarkeit überprüft werden.

Ich gehe also von einem föderalen, parlamentarischen Staatsaufbau aus und begrüße die aktuelle Diskussion die Parlament personell zu begrenzen, um sie arbeitsfähig zu erhalten. Ich bin von der derzeitigen Ampelregierung enttäuscht. Ich hatte mir versprochen, dass alle Parteien sich mit ihren Stärken einbringen (Umwelt, Finanzen/Wirtschaft und Gesellschaft/Soziales), aber man hat sich nach allen Regeln der Kunst gegenseitig verhindert.
Das und die Erfahrungen aus der Weimarer Republik lassen in mir den Wunsch nach einer starken Regierung entstehen, die nicht auf den Ausgleich aller möglichen Splitterinteressen angewiesen ist, um politische Entscheidungen herbeizuführen.
Das führt z.B. zu Sperrklauseln für Kleinstparteien und zu der Frage, wie die Interessen der Wähler dieser Parteien gewahrt werden können.
Ich befürworte daher Bürgerräte, die den Regierenden zur Seite gestellt würden, um gesellschaftlich relevante Themen in die Entscheidungsprozesse einzubringen und gewisse Kontrollfunktionen zu übernehmen. Hier könnten sich z.B. auch an Sperrklauseln gescheiterte Kleinstparteien engagieren.
Neben den Bürgerräten sollten sich auch andere Lobbyisten Gehör bei Politkern verschafft können. Deren Wirken muss aber öffentlich und überprüfbar sein. Dazu könnten alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, weltanschaulichen und sonstige Gruppierungen gezählt werden.
Diese Möglichkeiten sind zwingend, da anderenfalls wichtige Informationen nicht einfließen, Einflussnahmen im Hintergrund geschehen und sich vereinzelte Gruppen unzulässige Vorteile verschaffen.

Hier zeigt sich bereits, dass der Teufel im Detail steckt. Es muss immer eine Hintertür geben, um im Krisenfall entscheidungsbereit sein zu können. Jede Hintertür ist aber eine Einladung zum Missbrauch. Macht man diese durch zu viele Restriktionen wieder zu, wird man trotzdem handlungsunfähig.
Gewisse Dinge müssen im Geheimen ablaufen, um z.B. kriminelle oder systemfeindliche Handlungen unterbinden zu können. Das läuft aber der Grundanforderung der Transparenz entgegen. Nur wäre es dumm zu unterstellen, dass es keine geheim zu verfolgenden Missstände gäbe.
Ebenso wär es töricht, alle verteidigungspolitischen Entscheidungen öffentlich zu machen, damit sich der Staatsfeind schön darauf einstellen kann.
Derzeit stehen wir uns in Deutschland dabei heftig auf den Füßen. Wären wir auf eigene geheimdienstliche Erkenntnisse angewiesen, wären manche Straftaten nicht zu verhindern gewesen und mancher Straftäter wäre uns durch die berühmten Lappen gegangen. Es ist aber schizophren eigene Erkenntnisse nicht zuzulassen, aber auf ähnlichem Wege erlangte Erkenntnisse anderer Geheimdienste unbedenklich zu verwenden. Außerdem macht man sich im Staatenverbund lächerlich und zu einem unzuverlässigen Partner.
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich dadurch, dass der Beruf des Politikers attraktiv genug sein muss, um Menschen dafür zu interessieren, die wahrscheinlich auch auf anderem Wege wirtschaftlich erfolgreich sein würden. Daher muss die Entlohnung angemessen sein. Es ist darüber hinaus sehr wünschenswert, Menschen aus vielen gesellschaftlichen Schichten für diese Arbeit zu interessieren. Es muss aber eine gewisse intellektuelle Leistung abrufbar sein. Auch hier könnten Bürgerräte für einen Ausgleich sorgen, in denen sich auch weniger begabte Menschen einbringen könnten.
Politiker müssen, ggf. Über ihre Büros, für die Begehren der Bürger erreichbar sein. Diese Begehren müssen sorgfältig geprüft und in die Entscheidungsprozesse eingebracht werden. Allerdings muss auch gewährleistet werden, dass die Politiker nicht durch Belanglosigkeiten lahm gelegt werden. Auch hier könnten die Bürgerräte eine Filterfunktion ausüben.

Es stellt sich die Frage, wie man es bewerkstelligen könnte, dass Politiker und ihre Parteien das wohl der Allgemeinheit über das der Partei und deren Klientel stellen.
Theoretisch sollte die Furcht nicht wiedergewählt zu werden Motivation genug sein. Dass es nicht so ist, erleben wir soeben mit der Ampelregierung, der AfD und dem BSW. Parikular- und Parteiinteressen stehen im Vordergrund, um dem politischen Mitbewerber zu schaden und selber vor dem Wähler und dem eigenen Klientel gut dazustehen. Vielleicht muss man einiges einfach akzeptieren.

Wissenschaftler haben festgestellt, als sie Gruppenverhalten und damit verbundene Aggressionen untersuchten, dass Häme, Missgunst und Gewaltbereitschaft gegenüber anderen Gruppen und Vertrauen und Zuspruch für Mitglieder der eigenen Gruppe tief in uns angelegt ist.
Weiterhin hat sich herausgestellt, dass bei Zugehörigkeit zum linken oder rechten politischen Spektrum politische Handlungen von unterschiedlichen Hirnregionen verarbeitet werden, die entweder eher emotional oder eher emotionsarm verarbeiten werden und somit gegenseitiges Unverständnis kaum vermeidbar sei. Das könnte eine Erklärung für viele Missverständnisse im politischen Raum sein und warum politische Zusammenarbeit so schwer ist.
https://www.mdr.de/wissen/medizin-gesundheit/politische-haltungen-im-gehirn-ablesbar-100.html
Wo liegen Anreize für allgemeinnütziges Verhalten. Derzeit erleben wir, dass die Koalitionäre eher Partikularinteressen vertreten und die Regierungsarbeit stören. Sie nehmen billigend in Kauf, dass die Opposition damit gestärkt und Vertrauen in das derzeitige politische Geschehen verspielt wird. Die Vorgänge in Sachsen und Thüringen werden eines ganz bestimmt zeigen. Wenn sich die diversen demokratisch ausgerichteten Parteien zu einem Bündnis zusammenschließen und wieder Partikularinteressen mehr gelten als die der gesamten Koalition, wird das wiederum die Randparteien stärken. Diese müssten nur behaupten es besser gekonnt zu haben. Insbesondere die AfD wird das mit Bravour hinbekommen und sich damit weitere Wählergruppen erschließen.

Eine theoretische Lösung dieses Dilemmas verbietet sich aus dem Selbstverständnis der Demokratie. Man könnte die Regierung von Wahlen losgelöst arbeiten lassen. Aber das ist wie mit dem guten Despoten. Die gute Partei wird es ebenso nicht geben.
Was auf jeden Fall falsch ist, ist eine Partei oder eine politische Strömung zu missachten und sich mit ihr, deren Wähler und Politiker nicht analytisch auseinanderzusetzen und keine Schlüsse und Handlungen aus den Erkenntnissen zu ziehen.
Vielleicht ist es gar nicht so verkehrt das BSW mit in die Regierungsverantwortung zu nehmen, dort anstrengende und umsetzbare Politik machen zu lassen und sich vor den Wählern zu beweisen.
Es ist wohl so, dass man Politikern eine gewisse Zeit zum Beweis ihrer Kompetenz und bis zur erkennbaren Wirkung ihrer Entscheidungen nach der Umsetzung geben muss.

Muss die Demokratie und die Verfassung geschützt werden und wenn ja, vor wem?
Einkommen und gesellschaftliche/wirtschaftliche/weltanschauliche Verbindungen/Verbindlichkeiten der Politiker müssen öffentlich sein. Entscheidungsprozesse müssen transparent und verpflichtend auf Finanzierbarkeit, Umweltverträglichkeit, Gerechtigkeit und ausgeübter Beteiligung der Räte überprüft werden.
Temporäre Abweichungen von diesen Regelungen müssen genau definiert sein und eine Möglichkeit geschaffen werden, bei dringendsten Angelegenheiten davon abzuweichen. Eine nachträgliche Offenlegung aller Gründe dazu muss zwingend erfolgen und bedürfen einer nachträglich Genehmigung. Bei Fehlentscheidungen und Ablehnung der Entscheidungen müssen die Folgen bekannt sein.
Politik und parlamentarisches Arbeiten muss öffentlich sein und unabhängig überprüft werden können.

Es müssen verpflichtende „Vereinbarungen“ existieren, die Politiker, Institutionen und Bürger motivieren, sich systemkonform zu verhalten. Politiker müssen ihre Handlungen so zu erklären oder erklären zu lassen, dass ein interessierter Bürger dem Folgen kann, auch wenn es dessen eigenen Interessen momentan zuwider läuft. Der Bürger und Wähler muss sich verstanden, mitgenommen und wertgeschätzt fühlen.
Alle Institutionen müssen Politikern zuarbeiten, um sachgerechte Entscheidungen zu ermöglichen und diese dann im Folgenden auch im Sinne der getroffenen Entscheidungen umsetzen und nachvollziehbar darstellen.
Der Bürger sollte/muss wählen gehen. Er muss für ihn einen Mehrwert darstellen wählen zu gehen. Denkbar wäre, dass nur aktive Wähler das Recht haben sich mit ihren Anliegen an Bürgerräte zu wenden.
Die Diskussion über eine Wahlpflicht muss zumindest angestoßen werden, auch wenn sie verfassungsmäßig wenig Aussicht auf Erfolg hätte. Das würde das Problem niedriger Wahlbeteiligungen aber einmal in den Focus rücken.

Fehlentscheidungen von Politikern und systemwidriges Verhalten aller Rechtssubjekte dürfen nicht folgenlos bleiben und müssen zeitnah zu angemessenen aber auch spürbaren Konsequenzen führen.
Die Anmerkungen einer Prüfinstanz dürfen nicht missachtet werden, ohne dass ein konsenzfähiger Grund dafür vorgebracht wird.

Die Schwierigkeiten, die sich aus diesen hier vorgetragenen Ideen ergeben, liegen auf der Hand. Einerseits kann man nicht alles einfach so laufen lassen, wenn man das System schützen will. Andererseits dürfen Eingriffe in das System nicht zu hart sein, weil das dem Grundgedanken einer demokratische legitimierten Arbeit zuwiderlaufen würde.
Es bedarf daher vieler verbindlicher Absprachen, Rechtsnormen und einem guten Willen aller Beteiligten, aber auch etlicher Schutzinstanzen.

Last, but not least stellt sich die Frage, ob man das System an für sich für so schützenswert erachtet, dass man dessen Veränderung oder sogar Ablösung nahezu unmöglich macht.
Im Angesicht der aktuellen Ereignisse erscheint mir das mehr als angebracht.
Daher muss die Unabhängigkeit aller Verfassungsorgane geschützt werden und darf maximal durch eine zwei-drittel Mehrheit des Parlamentes veränderbar sein. Das gilt darüber hinaus auch für die Gewaltenteilung, wobei Judikative, Exekutive und Legislative zusammenarbeiten dürfen. Diese Zusammenarbeit bedarf aber einer gesetzlichen Grundlage.

Eigentlich alles nicht neu, man muss es nur tun.