Politik

Der Kandidat (Trump und sein Vize)

Biden hat heute (22.07.2024) seine Kandidatur zur Wahl des Präsidenten der USA zurückgezogen.
Spät! Vielleicht sogar zu spät?

Biden stand wegen fortschreitender Senilität unter Dauerbeschuss, da er sich immer wieder vor seinen Freund und Widersachern bloßstellen ließ und hat damit Trump in die Karten gespielt. Trump ist es nicht zuletzt auf seinem Nominierungsparteitag gelungen seine Partei hinter sich zu vereinigen. Niemand wagt diesem Sturm der Begeisterung etwas entgegenzusetzen, wenn alle mit hochgereckten Fäusten und Pflaster am Ohr in Jubel ausbrechen und Trump wie einem Gott huldigen.
Glücklicherweise „noch“ unvorstellbare und zutiefst verstörende Szenen für uns in Deutschland!
Jeder will dabei gewesen sein, wenn Trump nach gewonnener Wahl mit einem Skalpell zwischen Freund und Feind einen harten Schnitt zieht. Die einen werden ihm weiter huldigen müssen, wenn sie in den Genuss seiner wohltuenden Aufmerksamkeit bleiben wollen, die anderen werden abgetrennt den Bach runter gehen. Egal, ob es sich um Einzelpersonen, gesellschaftliche Institutionen, Firmen oder andere Interessenvertreter oder gar Staaten und Staatengebilde handeln wird.

Trump wird sich von nichts und niemandem aufhalten lassen, seine autokraten Ideen umzusetzen, außer vielleicht vom Misserfolg. Aber das ist nur eine ganz vage Hoffnung, die eigentlich durch nichts begründet ist. Schlimmstenfalls wird er das Land und seine demokratischen Institutionen in seiner zweiten Amtszeit so umbauen, dass von der USA, wie wir sie bisher kennen, nicht allzu viel übrig sein wird.
Es geht voran, der einflussreichste konservative Think-Tank, die Heritage Foundation, hat ungefragt das „Projekt 2025“ herausgegeben und dem Führungsstil des Autokraten Trump die Legitimation geliefert. Die Gewaltenteilung soll geschliffen, soziale Errungenschaften zurückgefahren und eine konservativ-klerikal geprägte Gesellschaft gefördert werden.
Das Gruselkabinet beinhaltet u.a. eine Ausweitung der Deportation von Migranten, Verbot von Abtreibungen, Pflichtstunden in Religion an allen Schulen, Abschaffung von Umweltauflagen und vieler finanzieller Belastungen für Unternehmer, Entlassung von Zehntausenden Beamten und deren Ersetzung durch hartgesottene Trumpisten, Protektionismus und Vieles mehr!
Wie hart hier in die Gesellschaft eingegriffen werden soll, erläuterte Dr. Kevin Roberts, Chef der Heritage Foundation, im Podcast „War Room“ von Steve Bannon, dem einstigen Chefstrategen von Donald Trump. Man stünde in einem Prozess der zweiten amerikanischen Revolution, die nicht blutig enden müsse, wenn die Linke das zulasse. Schließlich müsse man nicht nur mit einer ungeliebten Regierung abrechnen, sondern ein ganzes Netzwerk, nämlich den „Deep State“, beseitigen.
Besser hätte auch Putin seinen Angriffskrieg auf die Ukraine mit Täter-Opfer-Umkehr nicht legitimieren können. „Wehrst Du Dich, zwingst Du mich Dich zu schlagen!“
Nach dem letzten Urteil des Supreme Court, dass dem Präsidenten in Bezug auf die Handlungen im Amt fast völlige Immunität zugesteht, versteckt sich keiner der Erzkonservativen mehr hinter einem Busch, sondern sie Posaunen ihre Pläne unter dem Gejohle des konservativen Mops öffentlich aus.

Aber Trump kann es noch besser. Er zaubert auf dem Nominierungsparteitag seinen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance aus dem Hut. Ein Paukenschlag!
Sollte der ggf. zukünftige Präsident im Laufe seiner Amtszeit ausfallen, übernähme der Erzkonservative Vance das Amt.
Aus Sicht der Europäer der „worst case“. Trump kann sich mit seinen Drohgebärden zurückhalten und dann seinen Wadenbeißer, mit seinen knallharten Drohgebärden, gegen Europa und die eigene Mittelklasse loslassen. Der Vize soll nicht als Kontrapunkt zu Trump weitere Wählerschichten erschließen, sondern die selbstherrliche und rechtspopulistische Linie stärken und die Polarisierung der Gesellschaft festschreiben. Die Ukraine und die Unterstützer einer freien Welt dürfen darauf gefasst sein, dass unter Trump und Vance die Hilfen deutlich zurückgefahren, wenn nicht sogar eingestellt werden. „American first!“, steht über allem! Vance unterstellt den Ukrainern, dass sie Putin sowieso nicht stoppen könnten und blieb wichtigen Gesprächen mit der Begründung fern, dass er dort doch nichts Neues erfahren würde. Die AfD und der BSW tun mit diesem Rückenwind aus den USA im Deutschen Bundestag gleiches, als sie während einer Selenskyj-Rede das Plenum verließen. Wir erkennen, wo es später auch in Deutschland mit der Demokratie hingehen soll. Vieles wird offenbar mittlerweile auch in unserem Land denkbar, sagbar und machbar.
Vance schreckt auch nicht davor zurück alte Bündnispartner vor den Kopf zu stoßen. So zog er über die „zu lasche“ Einwanderungspolitik der Labour-Regierung her und lästerte, dass Großbritannien „Das erste islamische Land mit Atomwaffen“ sei.
Der britische Außenminister David Lammy schrieb schon 2018 im Magazin Time, Trump sei ein frauenhassender, mit Neonazis sympathisierender Soziopath, der die regelbasierte Weltordnung bedrohen würde.
Wir dürfen gespannt sein, wohin das noch führt.

Das Gespann Trump/Vance steht darüber hinaus für die Beschränkung des für uns Deutsche so lebensnotwendigen freien Welthandels und somit für Handelskrieg und Zollschranken mit Europa, Japan, China und Südkorea.
Dass das bereits 1930 mit dem Smoot-Hawley-Zollgesetz einmal scheiterte, der Welthandel zusammenbrach und dessen Auswirkungen nach Europa schwappten, hier zur Inflation und Arbeitslosigkeit und daraus folgend zur Machtübernahme der Nazis beitrug kümmert den Despoten wenig.
Es kümmert auch niemanden, dass der charakterlose Opportunist Vance den heutigen Kandidaten Donald Trump einmal als Amerikas Adolf Hitler und heute als wunderbarsten Menschen der Welt bezeichnet. Im „Krieg“ bleibt die Wahrheit zuerst auf der Strecke und Moral ist etwas für die, die es sich leisten wollen!

Ob die Demokraten nach dem Rückzug von Biden dem etwas entgegensetzen, die Spaltung der Amerikanischen Gesellschaft überwinden und das Pendel wieder in die Richtung unserer Deutschen freiheitlich demokratischen Grundordnung schwingen können, bleibt abzuwarten. Mit Kamala Harris könnte ein Neustart gelingen.
Aber es ist spät! Vielleicht sogar zu spät!

(Quelle u.a. NZZ am Sonntag, vom 14.07.2024, KStA, vom 22.07.24)