Sterbehilfe

Theologen warnen vor der Liberalisierung der Bestattungskultur

Der Umgang mit Gedanken zum Tod scheint ja gerade sehr en vogue zu sein. Der Kölner Stadtanzeiger (KStA)hat einen Kommentar von Manfred Lütz, mit einer kritischen Wertung einer sich liberalisierenden Bestattungsordnung, veröffentlicht. Manfred Lütz ist ein deutscher Psychiater, Psychotherapeut, römisch-katholischer Theologe, Berater des Vatikans und Buchautor. Er leitete von 1997 bis 2019 das Alexianer-Krankenhaus in Köln. 

Ich finde es, gelinde gesagt, etwas sehr rückwärtsgewandt, dass der KStA nach dem Kommentar zum Freitod der Kessler-Zwillinge von Jochen Sautermeister, hier schon wieder einen Kommentator mit einem eher theologisch-klerikal-konservativem Meinungsbild zu Wort kommen lassen. Jochen Sautermeister ist deutscher römisch-katholischer Moraltheologe und Hochschullehrer. Zum 1. März 2025 wurde er in den Deutschen Ethikrat berufen. Gäbe es nicht auch Menschen mit einer anderen Profession und Meinungsbildung, die sich mit gesellschaftlich relevanten Themen beschäftigen? 
Ich bemerke das vor dem Hintergrund, dass die Bindung der Menschen an Kirchen und deren Auslegung von Moral in der Gesellschaft exorbitant gesunken ist. Aber auch, weil ich gerade zu diesem Themenkreis aus etlichen eigenen Veröffentlichungen weiß, dass die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Tod und einem anderen Umgang mit dem Sterben in breiten Gesellschaftsschichten gewollt ist. Während der KStA und andere Medien wiederholt Bedenkenträgern ein Forum bieten, kommt die Asche der in RhPf verstorbenen Menschen an Köln vorbei geschwommen oder blinkt als Erinnerungsdiamant am Hals oder Finger eines Trauernden, der den Kölner Dom besucht. Die vorgeschobene Argumentation von Herrn Lück über archäologische Interessen an Bestattungszeremonien und der Definitionen der Menschwerdung aufgrund von Beisetzungen gehen hier in die Irre, weil hier kein Kulturverlust stattfinden soll, sondern „lediglich“ eine Anpassung an moderne Lebensgewohnheiten, wie das in jeder Evolution passiert. Anderenfalls müsste wohl bereits bei der Einäscherung der Kulturverfall beklagt worden sein. Abgesehen davon werden nachfolgende Generationen wohl nicht darauf angewiesen sein, versteinerte Artefakte unserer Kultur zu bergen. Diese werden sie schon in unseren noch zehntausende Jahre lang strahlenden atomaren Hinterlassenschaften finden.
Darüber hinaus ist es schon sehr überheblich einem moderneren Bestattungsritual indirekt einen nicht liebevollen Umgang mit dem Sterbenden zu unterstellen. Das ist die überkommene Sichtweise eines vom Klerus indoktrinierten Gelehrten, dem die Zustimmung, dass sich die Erde um die Sonne dreht und keine Scheibe ist, unter Blutopfern abgerungen werden musste. 

Ich weiß aus einem Gespräch mit einem der Redakteure des KStA, dass dieses Blatt sich eher ihrem älter werdenden und vielleicht auch eher konservativem Klientel verbunden fühlt. Sicherlich informieren sich jüngere Menschen häufig nicht über die Tageszeitung, aber die jungen Menschen von heute sind die älteren von morgen. Wenn die Tagespresse nicht will, dass ihnen einerseits Ihre Leserschaft wegstirbt und sich andererseits der fortschrittlichere Teil der Gesellschaft abwendet, sollten Sie sich vielleicht etwas mehr um die jüngere oder jung gebliebene und dem modernen Leben aufgeschlossnere Leserschaft kümmern. 

Leben und leben lassen war noch nie die Stärke der Theologie, sondern viel eher die Verweigerung einer Zustimmung zu jeglichem Wandel. Das gilt unter anderem sowohl für das Favorisieren konservativer Bestattungsrituale, wie für die fehlende Akzeptanz eines assistierten Suizid, Abtreibung, Gleichberechtigung usw. Wir, die sich mit den sich wandelnden Lebensweisen identifizieren, sagen ja auch nicht, dass sich jetzt jeder selbst umbringen muss oder als Diamant am Finger des Enkels enden sollte. Die Theologie verlangt aber anders herum ständig, dass wir uns alle an deren Weltbilderrn orientieren und so auch tapfer den manchmal bitteren Kelch des Lebens auskosten und nach dem Dahinscheiden in die Erde wandern. Die monolithische Präsenz des Klerus in öffentlichen Gremien, Medien und anderen meinungsbildenden gesellschaftlichen Gruppierungen ist aus der Zeit gefallen und diskreditiert sich oft selbst. Das bestätigt sie durch ihre eigenen Auftritte immer wieder.

Ich bin froh, eine Marmorskulptur in der Wohnung stehen zu haben, in die sehr kunstvoll das goldene Lieblingsarmband meiner verstorbenen Mutter eingearbeitet wurde. Gerne hätte ich dort auch einen Erinnerungsdiamanten eingesetzt. Liebevoller kann man wohl seine Erinnerungen an die verschiedene Mutter kaum gestalten, als jeden Tag eine Blick auf dieses ewige und unvergängliche Erbe zu richten und einigen wärmenden Gedanken nachzugehen. 
Mein Blick fällt dagegen oft verstört auf die Gräber der „guten Christen“, die ,total vernachlässigt sind und auf die Einebnung warten. Sie zeugen vom Hinscheiden eines Menschen, überkommenen Beerdigungsritualen und viel eher von Vergessen und uninteressierten oder über die Welt verstreuten Angehörigen (die vielleicht viel lieber einen Erinnerungsdiamanten bei sich tragen würden), als von einem angemessenen Totenkult. 
Das Rad der Geschichte dreht sich weiter, auch wenn einige Verzagte panisch an der hölzernen Bremse kurbeln und davon mantramäßig öffentlich berichtet wird!