Umwelt 2

Der Mensch, Zerstörer oder Hüter der Erde?

Erdgeschichtlich leben wir in einer seit 11.700 Jahren andauernden Zwischenwarmzeit, dem Holozän, des gegenwärtigen Eiszeitalters, des Quartärs.

Unter Wissenschaftlern wird diskutiert, ob ein neues Erdzeitalter, das Anthropozän, angebrochen sei. Es spräche einiges dafür, weil der Mensch so massiven Einfluss auf die Erde genommen hätte, dass sein Wirken in den Ablagerungen der Erde (Russ, Plastik usw.) nachweisbar sei.

Aber gemessen an den erdgeschichtlichen Abläufen, die in Jahrzehntausenden und mehr gemessen werden, ist das geologisch nachweisbare Einwirken auf noch nicht einmal 200 Jahre beschränkt. Überschätzt der Mensch sich und seine Bedeutung für diesen Planeten nicht gewaltig, wenn er sich als entscheidendes Merkmal einer erdgeschichtlichen Epoche plakatiert?
Es wäre wohl eher angemessen, „lediglich“ von einem zeitlich begrenzten geologischen Ereignis zu sprechen, ähnlich dem Kometeneinschlag, der vor ca. 66 Millionen Jahren die Dinosaurier ausgelöscht hat?

Wir müssen an dieser Stelle einige grundlegenden Dinge klarstellen.
Auf unserer Erde schwanken Temperaturen und die Zusammensetzung der Atmosphäre in geologischen Zeiträumen immer wieder. Eiszeiten und Warmzeiten wechseln sich ab. Zeiten mit hoher Sauerstoffsättigung in der Atmosphäre, hoher CO2-Sättigung oder anderen „Anomalien“ lösen sich ebenfalls ab.
Das irdische Klimageschehen folgt eigenen Regeln (Plattentektonik, Vulkanismus usw.) oder extraterristischen Ereignissen (Sonnenaktivitäten, Meteoriteneinschlägen usw.).
Die Folgen dieser Veränderungen sind seit jeher teilweise drastisch und oft hochdramatisch gewesen. In Eiszeiten wurden Erdteile quasi unbewohnbar. In Warmzeiten gab es explosionsartige Vermehrungen von Arten. Die Entstehung des Sauerstoffs führte zu dem heute bekannten Leben. Eine Erhöhung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre begünstigte ein ungeheueres Pflanzenwachstum.
Keines dieser Ereignisse wurde daran gemessen, ob es den damals vorkommenden Lebensformen zuträglich war oder nicht. Sie profitierten von Begebenheiten und Änderungen oder verschwanden von der Bildfläche.
Aktuell profitiert die Menschheit und die uns umgebende Flora und Fauna von dem noch vorherrschenden durchschnittlich milden Klima und der sehr sauerstoffreichen Atmosphäre. Aber so wird es nicht bleiben!
Wissenschaftler sind sich einig, dass sich die Erde seit dem Klimaoptimum von 5.000 Jahren um 0,12 Grad je Jahrtausend abkühlt und somit auf eine neue Kaltzeit, mit sich von den Polkappen ausdehnenden Vereisungen und weiträumigen Vergletscherungen, zusteuert.

Wäre da nicht der industrialisierte Mensch. Unsere drastischen Eingriffe in die natürlichen Lebensabläufe, die Vermüllung der Erde und die ausufernde Emission schädlicher Klimagase in den letzten 100 – 200 Jahren führten, trotz der geologischen Zusteuerung auf eine neue Kaltzeit, zu einer sprunghaften Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur, zum größten Artensterben der letzten Jahrtausende sowie zur Zerstörung ganzer Habitate. Dieses Wirken hat zu den oben aufgeführten, nachweisbare Spuren in den Erdablagerungen geführt.
Wir reden hier von Klima- und Umweltkatastrophen, die sonst maximal in mehreren Jahrtausenden abgelaufen wären und dem jeweils vorherrschenden Leben vielleicht eine Anpassungschance gelassen hätten. Lediglich Meteoriteneinschläge oder der Ausbruch von Supervulkanen führten in der Vergangenheit zu ähnlichen oder noch drastischeren Auswirkungen auf das Leben (z.B. das Aussterben der Dinosaurier).
Das aktuell wichtigste Ziel ist somit, diese schädlichen Auswirkungen unseres Handelns massiv zu begrenzen! Gelänge dieses großflächig und nachhaltig, würden diese, aus der ausufernden Zerstörung der Umwelt resultierenden und geologisch nachweisbaren Spuren der Menschheit, im Laufe der Zeit verschwinden und damit auch die Grundlage für die Postulierung des Anthropozän zu Gunsten einer temporären Erscheinung.

Wir dürfen dabei aber die großen Zusammenhänge nicht aus den Augen verlieren.
Sollten wir tatsächlich erreichen, dass die weltweite Emission von Treibhausgasen wieder auf ein vorindustrielles Maß reduziert wird, könnte das ironischer Weise dazu führen, dass wir irgendwann wieder gezwungen sein werden Treibhausgase zu emittieren, um eine kommende Kaltzeit abzuwehren.
Ein verharren in gewohnten Verhaltensweisen, aber auch eine pure Rückbesinnung in vorindustrielle Verhaltensweisen könnten also ebenso negative Folgen für die aktuell vorherrschende Flora und Fauna haben, wie die derzeitige zerstörerische Umweltvergiftung.

Astronomische oder geologische Ereignisse können für die menschliche Existenz förderlich oder bedrohlich bis zerstörerisch sein. Aber niemals gut oder böse.
Erst mit uns Menschen und der Moralisierung unserer Handlungen und der Natur wurden förderliche und störende Ereignisse in gut und böse umklassifiziert.
Ein Erdbeben kann zerstörerisch sein, aber niemals böse! Die meisten jemals gelebten Arten sind bereits vor dem Erscheinen des Menschen ausgestorben und der gottlosen Vergessenheit anheim gefalle. Sie konnten sich damit der Einsortierung in gut und böse entziehen. Für sie gab es weder Himmel noch Hölle! Es war was es war, alles nur eine amoralische, evolutionäre Entwicklung.
Die Welt und wahrscheinlich mit ihr auch das gesamte Universum sind ein evolutionäres und sich somit konstant fortentwickelndes, amoralisches System, in dem Stillstand oder gar Rückbesinnung keine wirkliche Option sind. Das romantische, mythische und auch religiös geprägte Bild einer heilen und guten, vorindustriellen oder gar wilden Natur ist ein Widerspruch in sich!
Daher verbieten sich sogar viele Vorwürfe gegen vorherige menschliche Generationen, die für sich und auf dem damaligen Wissensstand ggf. Nach bestem Wissen gar keine andere Chance gesehen haben, als sich so zu verhalten, wie sie es getan haben. Auch wenn dieses Verhalten in der Nachbetrachtung für Mensch und Natur schädlich war.

Der Mensch hat erst durch seine Evolution das Verständnis, die Technik und seine Weitsicht entwickelt, die es ihm erstmals ermöglichte, in dieses, zum Teil apokalyptische Geschehen, lenkend eingreifen zu können.
Wir könnten den CO2 -Ausstoß reduzieren und die aktuelle Erderwärmung begrenzen.
Wir könnten, durch atomaren Beschuss uns bedrohender Meteoriten, diese aus ihrer erdzerstörerischen Bahn werfen.
Wir könnten zum Ende der Zwischenwarmzeit durch Maßnahmen des Klima-Engineering, z.B. Erhöhung des CO2-Ausstoßes, vielleicht erreichen, dass eine erneute Eiszeit verhindert oder abgemildert wird.
Wir könnten endlich zu einer Kreislaufwirtschaft kommen, innerhalb derer kein Abfall entsteht, sondern alles einer weiteren Verwendung zugeführt wird. Ähnlich der Natur, in der nichts verloren geht.
Es sollten noch etliche andere Szenarien denkbar sein, die die positiven umweltbeeinflussenden Wirkungen zukünftiger Generationen aufzeigen würden.
Wir hätten also erst durch unsere, zugegebenermaßen bisher klima- und umweltschädliche Lebensweise den technischen Fortschritt erlangt, der uns eine gewisse Chance gibt, uns für uns, die aktuelle Flora und Fauna zukünftig positiv zu engagieren.
Was für eine wunderbare Perspektive, jenseits von gut und böse!

Natürlich kann der Mensch auch zerstörerisch wirken, wenn etwaige Folgen seines Eingreifens oder auch, wie aktuell, seines Nichts-Tuns, nicht ausreichend bedacht und berücksichtigt werden.
Die aktuellen national- und geopolitischen Entwicklungen deuten leider deutlich darauf hin, dass der Homo sapiens nicht dafür geschaffen ist friedlich zu koexistieren. Wir haben Waffen für den Overkill produziert, vorübergehend eingemottet und beleben sie jetzt wieder. Abschottung und gruppenspezifisches Denken, dem Ausgrenzung und Erniedrigung der jeweils Anderen immanent sind, drängen nach vorne und zerstören die Idee eines gedeihliches Miteinanders. Partikularinteressen bestimmen unser Handeln und werden rücksichtslos durchgesetzt. Dabei schrecken wir nicht vor Mord und Totschlag oder sogar Völkermord und massivster Umweltzerstörung zurück und reißen oftmals die uns umgebende Natur mit in diesen unheilvollen Strudel.

Über allem steht die fatalistische Frage, ob dieses menschliche Handeln nicht einer nahezu naturgesetzlichen Abfolge der Evolution folgt und somit vollkommen „normal“ ist? Erleben wir nicht sogar gerade einen auf lange Sicht folgerichtiger Schritt auf dem Weg zu einer weiter entwickelten Daseinsformen (vielleicht sogar ohne den Menschen), bevor unsere sterbende Sonne alles Leben auf der Erde verbrennt.
Warum haben wir keinen Kontakt zu außerirdischem Leben, wenn diese mächtige Evolution im gesamten Kosmos wirkt? Vielleicht weil wir auf einem unbedeutenden Sandkorn sitzen und die Zeit unseres wahrnehmbaren Wirkens in kosmologischen Zeiträumen vollkommen irrelevant ist?
Frage über Fragen, auf die weder die Philosophie, noch Naturwissenschaften und schon gar nicht die Religionen ultimative Antworten geben können.

Denn soweit wir wissen, sind wir eben nicht die schlussendliche Krone der Schöpfung, sondern nur eine temporäre Erscheinung in der Evolution des Kosmos, die sich weder in Jahrtausenden noch Jahrmillionen rechnet, sondern in Abermilliarden Jahren!
Es scheint, dass wir kein Anthropozän brauchen und weder Zerstörer noch Hüter der Erde sind, sondern … Statisten!

(In Anlehnung an Gedanken von Michael Schmidt-Salomon (Evolution des Denkens u.a.) und https://meinungundbericht.com/gesellschaft-und-politik/gesellschaft/4/ sowie Anregungen aus dem Aufsatz „Über die Rolle von Funktion und Selektion in sich entwickelnden Systemen“, veröffentlicht auf der Wissenschaftsplattform „Proceedings of the National Academy of Sciences“ https://meinungundbericht.com/religion/religionen-fortfuehrung/2/)