Die Rente ist (un-)sicher!
Die zentrale Aussage der Sozialdemokratie in Deutschland wackelt. Die Rente, stellvertretend für alle anderen Transferleistungen unserer Gesellschaft, ist NICHT sicher! Auch wenn es viele Leute immer noch nicht wahr haben möchten.
Man findet im Netz immer wieder empörte Postings, dass man sich das „Recht“ auf einen möglichst frühen Ruhestand usw. nicht nehmen lassen möchte. Wir haben uns in der letzten Arbeitergeneration an den Gedanken gewöhnt, dass Arbeit lediglich ein lästiges Terrain ist, dass man möglichst spät betreten und möglichst früh wieder verlassen sollte. Work-Life-Balance, mit der sehr deutlichen Betonung auf Life!
Zunächst ist diese Lebenseinstellung nur zu verständlich, weil Arbeit von vielen Menschen als Belastung, Stressfaktor und Gesundheitsgefährdung angesehen wird. Darüber hinaus ist der Abstand zwischen Best- und Niedrigstverdienern enorm und wird als Ungerecht empfunden. Zusätzlich werden Presse und SM nicht müde zu betonen, dass diese Positionen wünschenswert und richtig seien.
Wenn man sich aber einmal besinnt, bestehen hier einige „Denkfehler“.
Das deutsche Sozialversicherungssystem ist als Netz konzipiert, um Menschen aufzufangen, die sich nicht selbst einen angemessenen Lebensstandard sichern können, sei es wegen Krankheit, anderer Schicksalsschlägen oder Alter.
In den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs hat die Unvernunft jeden sozialwirtschaftlichen Gedanken verdrängt und die Sozialversicherungen wurden mit systemfremden Leistungen überfrachtet und dadurch in ihrer Effizienz geschwächt.
Was hat z.B. der Erziehungsurlaub, die Frühverrentung usw. mit den Gedanken einer solidarischen Notgemeinschaft zu tun, die sich aus Beitragszahlern rekrutiert? Wenn die Gesellschaft der bestimmt berechtigten Meinung ist, dass diese Leistungen wünschenswerter Weise honoriert werden sollten, dann sollte das als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet werden und folglich steuerfinanziert und nicht beitragsfinanziert werden.
Bei der exemplarischen Betrachtung der Frühverrentung zeigen sich Fehlentwicklungen, die zu den jetzt feststellbaren wirtschaftlichen Verwerfungen führen.
Erdacht in Zeiten, als ältere Arbeitnehmer der enormen Anzahl nachströmender junger Arbeitskräfte Platz machen sollten und sich Unternehmen teuerer Altarbeitnehmer zu Gunsten besser ausgebildeter, junger und wesentlich billigerer Arbeitskräfte entledigen konnten. Die nachströmenden Massen von Beschäftigten konnten die höheren Kosten die auf die Sozialversicherungen zukamen leicht stemmen und die Unternehmen sparten ja auf der anderen Seite eine Menge Geld (s.o.).
Heute hat sich die Situation um 180 Grad gedreht. Die Arbeitnehmer gehen, wegen umfassender Ausbildung, immer später in den Erwerbsprozess. Ein nicht zu vernachlässigender Teil der jungen Menschen stehen als sogenannte Systemsprenger dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Wir stellen fest, dass wir eine relativ hohe Krankenquote bei den Arbeitnehmern verkraften müssen. Viele Arbeitnehmer gehen recht früh in den Ruhestand. Die Menschen werden immer älter und im hohen Alter bedürftiger. Das gesamte Sozialsystem muss eine hohe Anzahl von Migranten verkraften.
Die Boomergeneration geht in riesigen Kohorten in den Ruhestand und der Nachwuchs fehlt. Wir laufen auf eine 1 : 1 Beziehung zwischen Rentner und Arbeitskraft zu. Die Wirtschaft ist in eine Rezession gerutscht.
Wir leiden dadurch unter einem lange nicht gekannten Arbeitskräftemangel, dem dadurch entstehenden Beitragsverlust und einem Anstieg der Ausgaben im gesamten Sozialversicherungssystem.
Nur zur Erinnerung für diejenigen, die sich dessen nicht bewusst sind. Die in die Sozialversicherung eingezahlten Beträge sind NICHT gewinnbringend am Geldmarkt angelegt worden, sondern wurden zur Finanzierung der jeweils aktuellen Empfängergenerationen verausgabt. Dieses Geld ist somit weg!
Die Idee, ich habe ja lange genug eingezahlt und jetzt mal ein Recht auf meinen wohlverdienten Ruhestand, steht auf tönernen Füßen. Wenn hier und jetzt und zukünftig nicht ausreichend frisches Geld in die Kassen der beitragsfinanzierten Sozialversicherungen strömen, ist das aus diesen schlichtweg nicht finanzierbar!
Die Regeln der Mathematik schlagen unbarmherzig zu.
Die Belastung der Unternehmen und der arbeitenden Bevölkerung soll gedeckelt werden, damit sich Arbeit lohnt und die Unternehmen international wettbewerbsfähig bleiben.
Die Lebensgrundlage von Rentnern und Empfängern von Transferleistungen sollen ein angemessenes und würdiges Leben ermöglichen und somit nicht wesentlich weiter sinken.
Die Arbeitskräfte, die in die Sozialversicherungssystem einzahlen sinken permanent.
Die Anzahl der Leistungsempfänger steigt noch viele Jahre.
Die Unternehmen sollen nicht zusätzlich belastet werden.
Daraus folgt, dass insgesamt immer weniger Geld zur Verfügung steht, das verteilt werden könnte. Gleichzeitig steigt die Anzahl der Empfänger von Sozialleistungen, .
Man muss kein Genie sein, um zu erkennen, dass das der Quadratur des Kreises gleichkommt und nicht funktionieren kann.
Die Sozialsysteme, wie wir sie kennen, stehen vor dem Aus!
Das halbherzigen Herumwurschteln unserer Regierungen verschlimmern die Situation, da wertvolle Zeit ungenutzt vergeht. Je später man Systemfehler behebt, desto teurer wird es!
Die pure Angst vor dem Rentner als Wirtschaftsmacht und Wähler, vor den systemverwöhnten Arbeitnehmern und den Drohungen der Wirtschaft, dass Arbeitsplätze in Gefahr seien und der wirtschaftliche Untergang drohe, lähmt alle Beteiligten.
Das alles kommt natürlich, wie immer, zur Unzeit, denn wir benötigen bisher ungekannte Anteile unserer erwirtschafteten Mittel für die Rettung der Welt. Dazu gehören Kriege, Hungersnöte, Umweltkatastrophen, Migration, Umweltschutz, Energiegewinnung und die Wiederherstellung unseres Habitats.
Ich bin kein Versicherungsmathematiker und kein Politiker, aber wer seine Sinne beisammen hat, wird erkennen, dass es riesiger Anstrengungen bedarf die Systeme zukunftssicher zu machen. Da werden nur wenige Steine (Besitztümer) aufeinander bleiben!
Alle Transferleistungen gehören auf den Prüfstand!
Es muss eine klare Prüfung auf Priorität, Leistungsfähigkeit Bedürftigkeit geben!
Missbrauch muss weitgehend unterbunden werden!
Mir fehlt die Vorstellung, dass uns KI und der technische Fortschritt alle zu Frührentnern machen, das BIP erwirtschaften und unsere exportorientierte Wirtschaft absichern kann.
Wir dürfen uns daher an die Gedanken gewöhnen, dass uns die Arbeit wieder länger begleiten wird, vermeintliche Ansprüche vielleicht nicht leistbar sind und dass wir alle Möglichkeiten moderner Technologie und Wissens verantwortungsvoll nutzen müssen, um zu retten was zu retten ist.
Das Einzige was verboten ist, sind Denk- und Handlungsverbote!

Diesen Text dazu aus der Zeitschrift Focus – 38, 2024.
