Die Statistik beweist… oder doch nicht?
Sicherlich gibt es Datensammlungen, die fehlerhaft, unsauber oder zielgerichtet erhoben wurden Ebenso gibt es darauf aufsetzende Statistiken, die unsauber erarbeitet oder deren Ergebnisse sogar vom Auftraggeber vorgegeben wurden. Aber auch gut erhobene Daten und gut erstellte Statistiken bedürfen einer qualitativ hochwertigen Interpretation, denn jede Datenerhebung und -auswertung unterliegt gewissen Restriktionen, die beim Zitat beachtet und ggf. benannt werden müssen, wenn das Ergebnis seriös sein soll.
Als würde diese Erkenntnis noch eines Beweises bedürfen, wurden jetzt statistische Auswertung zum Bezug der Grundsicherung und der Arbeit im Alter veröffentlicht, um zu belegen, dass die Altersarmut rasant fortschreitet.
Ohne Zweifel ist Altersarmut ein ernst zu nehmendes Thema, mit dem sich Gesellschaft und Politik eingehend beschäftigen muss. Insbesondere Geringverdiener sind von der Inflation und sinkenden Alterseinkünften besonders betroffen, da sie meist ihr gesamtes zur Verfügung stehende Einkommen zur Finanzierung des täglichen Lebens einsetzen müssen. Die ansteigenden Renditen aus Anlagevermögen kommen ihnen nicht zugute, da sie im Verlauf ihres Arbeitslebens keine Anlagen getätigt haben. Sie interessiert es kaum, dass Elektroautos, Smartwatches und andere Luxusgüter billiger geworden sind. Insoweit hat der „Warenkorb“ hier wenig Aussagekraft. Aber die Aussagen zu diesem Thema sollten trotzdem stimmig sein.
Fakt ist wohl, dass die Anzahl der Bezieher von Grundsicherung im Alter gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist.
Bei der Interpretation der Daten ist aber zu berücksichtigen, dass
- Die absolute Anzahl der Rentner ist gestiegen.
- Bei der Bewertung, ob Grundsicherung zusteht, ist seit der letzten Erhebung ein zusätzlicher Freibetrag eingeführt worden.
- Seit 2022 können Asylbewerber aus der Ukraine beim Erreichen der regulären Altersgrenze Grundsicherung beantragen, anstatt Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Auf der anderen Seite sinkt das allgemeine Rentenniveau konstant und die Erwerbsbiografien sind vermehrt dadurch gekennzeichnet, dass die Erwerbstätigen Teilzeit gearbeitet haben oder zeitweise keiner sozialverischerungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sind. Es ist eben nicht mehr die Regel, dass ein Rentner mit 14 angefangen hat zu arbeiten, ununterbrochen bis zum 65. Lebensjahr Vollzeit beschäftigt war und dann mit einem Anspruch von 60% in Rente gegangen ist.
Auch die nächste Schlussfolgerung aus statistischen Daten, dass immer mehr Rentner einer bezahlten Beschäftigung nachgehen, unterstützt auf den ersten Blick die These des exorbitanten Anstiegs der Altersarmut. Aber auf den zweiten Blick wird man mit der Aussage der Betroffenen konfrontiert, dass ein erheblicher Anteil der weiterbeschäftigten Rentner das aus Spaß an der Arbeit machen und nicht aus einer Situation der Altersarmut heraus.
Arbeiten vielleicht gerade die gut gebildeten Rentner weiter, die schon früher Spaß am Beruf hatten, die sich in einer anspruchsvolleren Beschäftigung mit ausreichend guter Bezahlung befanden und stehen ihnen im Alter dann aus diesen Gründen auch die Türen zu attraktiven Tätigkeiten weiter offen?
Sind vielleicht gerade die tendenziell schlechter gebildeten Bevölkerungskreise, die sich in schlechter bezahlten Arbeitsverhältnissen befanden und somit eher von Altersarmut betroffen sind, weniger bereit sind im Alter bereit ebenso prekäre Arbeitsverhältnisse einzugehen?
Wie so oft, liegt die Wahrheit also irgendwo im mittleren Bereich. Der geneigte Leser muss mit seinen Schlussfolgerungen vorsichtig sein und wohlfeile Wahrheiten mit einer angemessenen Portion Skepsis hinterfragen, wenn er nicht Stimmung sondern seriöse Aussagen machen möchte.
