Work-Life-Balance – Sollen wir weniger arbeiten?
(Quelle: https://www.quarks.de/podcast/quarks-daily-spezial-folge-5-4-tage-woche-so-sieht-unsere-arbeit-in-zukunft-aus/)
Wie so oft im Leben kann man das mit einem entschiedenen „Jein!“ beantworten oder besser „Es kommt darauf an!“.
Es bedarf kaum einer Erläuterung, dass wir in der heutigen Zeit, die von Arbeitskräftemangel gekennzeichnet ist, eher nicht darum herum kommen uns zu optimieren. Große Kohorten der Bevölkerung gehen in den Ruhestand oder sterben, ohne dass entsprechend viele junge Menschen und/oder Arbeitskräfte nachrücken können.
Die Ein-Kind-Familie und die geänderte allgemeine Einstellung zu Arbeit und Freizeit wirken sich aus.
Aber die Arbeitswelt ist zweigeteilt. Noch fährt kein Zug ohne Zugführer, die Pflegekräfte müssen vor Ort arbeiten und die Heizung repariert sich noch nicht ohne Handwerker.
Andererseits ist es egal, ob ein Text, Aufträge oder Planungen im Büro oder zu Hause, Vor- oder Nachmittags, mittwochs oder donnerstags erledigt wurden.
Noch können Bürotätigkeiten wesentlich effiizienter durch Technikunterstützung optimiert werden, als das bei Arbeiten am Menschen derzeit vorstellbar ist.
Daraus folgt, dass ein Teil in den Genuss einer modernen Arbeitszeitplanung kommen kann, ein anderer aber eher nicht, wenn die Dienstleistungsgesellschaft nicht kapitulieren will.
Nach neuesten Untersuchungen arbeitet ein Mensch nach ca. fünf Stunden nicht mehr optimal. Bei Feldversuchen stellte sich heraus, dass bei einer verkürzten Arbeitszeit sogar gleichviel und ggf. sogar bessere Arbeitsergebnisse erzielt wurden.
Dem gegenüber steht aber der Wunsch vieler Menschen die notwendige Arbeitszeit auf vier Tage, anstatt auf 5 Tage zu verteilen. Insbesondere junge Eltern würden sich über jeden freien Tag freuen, da die Tagesbeaufsichtigung der Kinder in Deutschland flächendeckend nicht gut sichergestellt ist (eigentlich ein Armutszeugnis).
Und dann ist da noch der Verbraucher. Wenn die Produktivität in der verkürzten Arbeitszeit nicht gehalten werden kann, müssen die Produkte teuerer werden, wenn die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich eingeführt werden soll. Die Folge könnten Konsumverzicht und Geldentwertung, also Rezession sein. Dinge, die keiner haben möchte. Der Freizeitgewinn wird nicht zu vermehrtem Konsum führen, da ja nur die gleiche Geldmenge zur Verfügung steht und die Verbraucherkassen bereits derzeit schlecht gefüllt sind. Die schlechteste Lösung wäre, die Errungenschaft der verkürzten Arbeitszeit in einen Zweitjob zu stecken.
Schon der Ökonom Keynes folgerte 1920, dass der Mensch zukünftig weniger arbeiten würde, da die Maschinen einen Teil der Arbeiten übernehmen würden. Wie wir heute alle wissen wurde nichts daraus, eher das Gegenteil ist der Fall. Die Maschinen können rund um die Uhr arbeiten, bedürfen dafür aber auch einer Rundum-Betreuung. Ein Bagger kann zwar viele einfachen Arbeiter ersetzen, aber der Baggerfahrer ist lange beschäftigt, um die Investition in den Bagger zu amortisieren. Was uns die Zukunft mit KI bringen mag ist daher noch ungewiss.
Wir wissen aber jetzt schon, dass auch zu wenig Arbeit in unserer heutigen Gesellschaft krank machen kann. Schon wer mindestens acht Stunden in der Woche arbeitet, reduziert sein Risiko psychisch krank zu werden gegenüber einem Arbeitslosen um ein Drittel.
Quo vadis Arbeitsmarkt. Wir werden um weitere Feldversuche nicht herum kommen. Die Gewerkschaften stehen schon „Gewehr bei Fuß“, um für die Arbeitnehmer Freizeit bei vollem Lohnausgleich zu generieren, wo es nur geht.
Ich frage mich, wer dann meinen Zug fahren soll und wie teuer die Fahrkarte wird, wenn Herr Weselsky seine Forderung im aktuellen Tarifstreit durchsetzen kann.
