Gesellschaft und Politik

Gehen Männer mit tiefer Stimme eher fremd?

Eine Einordnung, die nicht in jedem Fall zutreffen muss!
(U.a. Gehirn & Geist, 03/2024, Seite 32 f)

Wie in vielen anderen Situationen des täglichen Lebens trifft unser Gehirn auch bei der Bewertung von Stimmen innerhalb von Sekundenbruchteilen Entscheidungen, denen wir uns dann bewusst nur sehr schwer entziehen können. Die neueren Forschungen zeigen zudem: Unsere (Vor-)Urteile sind in signifikant vielen Fällen überaus zutreffend!
Diese Erkenntnis führt zunächst bei vielen Menschen, so auch bei mir, dazu, dass man die Dämonisierung von „Vorurteilen“ nicht mittragen möchten. Die Natur hat uns nämlich mit feinen Sinnen ausgestattet, die sich im Laufe der Evolution zu den Instrumenten entwickelten, die uns heute zur raschen Bewältigung vieler Alltagsprobleme zur Verfügung stehen.
Vorurteile sind erst dann problematisch, wenn sie unverrückbar(!) Menschen, Tieren oder Dingen gewisse Eigenschaften zuweisen. Sicherlich ist es auch schwieriger positiv angenommen zu werden, wenn man wegen des individuellen Vorurteil-Rasters zunächst negativ konnotiert wurde. Ansonsten sind sie bei der Bewältigung des täglichen Leben überaus nützliche Helfer.

An Hand der Stimme einer Person können Probanden z.B. mit recht hoher Wahrscheinlichkeit auf das Geschlecht und das Alter einer Person schließen. Das ist aber in vielen Fällen auch nicht verwunderlich, da Stimme und Physis einen engeren Zusammenhang haben. Männer mit tiefem Timbre sind regelmäßig größer, stärker und gesünder als jene mit höherer Stimmlage. Diese Wesensmerkmale werden Menschen mit tieferen Timbre von den Probanden meist auch automatisch und auffallend treffend zugeschrieben.
Aus diesen Grundannahmen zu einer Hörprobe eines Menschen ergeben sich dann aber automatisch weitere Zuschreibungen. Männer mit tieferer Stimme werden oft als dominanter, selbstbewusster, extravertierter und geselliger beschrieben.
Die Wissenschaft hat darüber hinaus interessanterweise weitere Zusammenhänge gefunden. Männer mit tieferen Stimmen sind sehr oft beruflich erfolgreicher und sie werden bei Datings oft männlicher und attraktiver eingestuft.
Diese Eigenschaften, die daraus folgenden Zuschreibungen und die dann resultierenden unterschiedlichen Erwartungen von Frauen an die betreffenden Männer können durchaus dazu führen, dass Männer mit tieferen Stimmen mehr Gelegenheiten zum Fremdgehen haben und dieses dann auch im Durchschnitt öfter eintritt, weil es ihnen von Frauen entsprechend leichter gemacht wird.
Das führt aber auf der anderen Seite auch dazu, dass diesen Männern von Frauen signifikant oft a priori eine gewisse Neigung zur Untreue unterstellt wird, was einem möglichen Bindungswunsch leider diametral gegenüber steht.

Unbedingt zu beachten ist natürlich, dass hier zwar Signifikanzen vorliegen, aber wie es mit Statistiken immer ist: Man muss sie lesen können!
Selbst wenn 55% der Brummbären potentiell ein leichteres Spiel bei Frauen hätten, müssen diese erst einmal auf eine bereitwillige Frau treffen um ihren Vorteil ausspielen zu können und daneben wären 45% dieser Männer (also fast die Hälfte) sowieso treu!
Also alles kein Grund Männer mit sonoren Stimmen sofort zum Teufel zu jagen!

Aber eines ist und bleibt wahr: Sinneswahrnehmungen und Bauchgefühle dürfen nicht unterschätzt oder sogar negiert werden. Sie haben ihre Berechtigung, denn sie steuern unser Leben oftmals mehr als uns lieb ist. Sie entheben uns in Standardsituationen vieler sich oft wiederholender Gedankenspiele. So hat sich einfach bewährt einem Tiger ohne vielen Überlegungen eine Lebensgefahr zu unterstellen und ihm die Tür möglichst rasch vor der Nase zuzuschlagen. Zeigt sich dann im weiteren Verlauf, dass es sich doch um eine Schmusekatze handelte, sollte man aber auch unbedingt die Größe haben und ihr eine zweite Chance einräumen. Ein Verhalten, dass uns als denkende und zivilisierte Wesen ausmacht!