Die Statistik hat bewiesen, dass …!
Das tägliche Leben ist kompliziert und Zusammenhänge nicht immer offensichtlich. In der Beurteilung neuer Lebenssituationen und unbekannter Vorgänge bedienen wir uns vermehrt Ratgebern aus dem Netz. Viele der gefundenen Informationsquellen stellen ihre Sicht der Dinge als wahr und statistisch belegt dar. Oft bedienen sie sich (pseudo-)wissenschaftlicher Studien und interpretieren deren Ergebnisse in ihrem Sinn. Hier die Spreu von Weizen zu trennen ist nicht immer leicht.
(Quelle: Gehirn und Geist 03/23)

Verwechslung von Kausalität und Korrelation
Eine Statistik belegt: Bewegung in der Natur erhält gesund!
Ist doch klar … denkt man!
Aber war die Statistik ausreichend genau?
Wurden ergebnisverfälschende Tatsachen herausgerechnet?
Jüngere Menschen halten sich vielleicht öfters im Freien auf als ältere und … sind auf Grund des Alters vergleichsweise gesunder.
Wohlhabende Menschen leben gesundheitsbewusster und gehen öfters in die Natur und … sind daher vergleichsweise gesunder.
Es kommt darauf an, die Auswahl der Interviewpartner und Fragestellungen sorgsam zu treffen, um solche Verzerrungen zu vermeiden.
Was gleichzeitig beobachtet wird, muss nicht ursächlich zusammenhängen

Einzelfall oder signifikante Häufung
Für fast jede Situation kann ein Beispiel benannt werden.
„Mein Opa hat geraucht wie ein Schlot und ist 95 Jahre alt geworden.“ Kann gar nicht so schlimm sein mit dem Rauchen!
Man hätte bestimmt auch einen Fall finden können, wo ein Nichtraucher in jungen Jahren an Lungenkrebs gestorben ist. Die Aussagekraft solcher Aussagen geht gegen Null.
Es muss hingegen untersucht werden, wie häufig die jeweiligen Tatsachen zusammentreffen und welche verzerrenden Lebensumstände herausgerechnet werden müssen.
Es gibt für alles ein Beispiel!

Menschen handeln nicht entsprechend ihrem Wissen
Jeder informierte Bürger der BRD weiß, dass die Welt an einem Kipppunkt steht. Artensterben, Umweltzerstörung, Klimakatastrophe erfordern koordiniertes Handeln.
Fliegen schadet in besonderem Maße durch den hohen CO2-Ausstoß und vegane Ernährung schont die Ressourcen des Planeten ungeheuer.
Aber der nächste Flugurlaub auf Bali wartet auch und die Verabredung im Steakhouse ebenso.
Menschen handeln nicht immer rational!

Das richtige Verhalten
Geht es nach den Meinungstreibern in den SocialMedia und den Gazetten, machen die Menschen heute alles mögliche falsch.
Zu wenig Schlaf, falsche Erziehung, Work-Life-Balance, wahres Glück usw.
Eine paradoxe Wirkung, die das beim Menschen haben kann ist der so genannte Rebound-Effekt.
An der Yale-Universität wurde ein interessantes Experiment durchgeführt. Probanden wurden befragt, wie glücklich sie seien und ob sie sich oft über ihr persönliches Glück Gedanken machen würden. Diejenigen, die sich sehr viel Gedanken machten, berichteten am wenigsten über selbst erlebte ausgesprochen ausgeprägte Glücksmomenten.
Laut den Erkenntnissen der Forscher wurden auf der Jagt nach den großen Glücksgefühlen die kleineren täglichen Wonnen offensichtlich vergessen. Zudem wurden oft unrealistische und zu hohe Messlatten an ein erwartetes Glücksgefühl gelegt.
Nichte jede Hype mitmachen.

Die Beobachtung verändert das zu Beobachtende
In seriösen psychologischen Studien werden die Probanden stets über das Ziel einer Untersuchung im Unklaren gelassen, weil die Erwartungen und Urteile der Probanden das Ergebnis verzerren können.
Das gilt insbesondere für unser Selbstbild. Bei einer Untersuchung wurde Studentinnen mitgeteilt, dass sie, auf Grund der Struktur ihres Gehirns, schlechter rechnen könnten als Männer. Das Ergebnis war, dass sie Rechenaufgaben schlechter lösten als eine Vergleichsgruppe, denen man das im Vorfeld nicht suggeriert hatte.
Ebenso die ständige Hervorhebung, dass wir in einer stressgeplagten Welt leben. Diese Fokussierung lässt uns Stress in Lebenssituationen empfinden, die geneigt sind Stress auszulösen, vergessen dabei aber unsere persönliche Disposition und individuellen Lebensumstände dagegen zu legen. Was bei einem Stress auslöst, kann ein anderer nämlich prima stressfrei wegstecken.
Erfolg und Wohlbefinden sind auch immer eine Frage der eigenen Bewertung.