Gesellschaft und Politik

Zuhören und reflektieren fällt vielen zunehmend schwerer

Die Welt dreht sich immer schneller und den Menschen wird bei den vielen Meldungen über Probleme, Unglücke und Katastrophen schwindelig.
Alles ist komplex und hängt irgendwie zusammen, sodass sich schnell ein Gefühl der Überforderung und Machtlosigkeit einstellen kann. Das ist die Stunde derer, die sich für die Lösung komplexer Themen mit ihren einfachen Lösungen anbiedern. Das ist die Zeit für Verschwörungstheorien und Rufen nach dem „starken Mann“, der alles richten muss.

In vielen Diskussionsrunden tauchen sie auf, die Besserwisser mit ihren „alternativlosen Hau-Drauf-Lösungen“. Hier fällt mir immer der Satz ein:
Die lauteste Meinung hat meist nicht die leiseste Ahnung!“

Derjenige, der nicht a priori bereits alles (besser) weiß, sammelt seine Erkenntnisse in ergebnisoffenen Gesprächen mit interessierten Menschen, aus guten Büchern oder Artikeln und aus Vorträgen Sachkundiger. Das kann analog oder digital erfolgen.
Einige Tugenden sind dabei unabdingbar. Man muss dem Gesagten oder Geschriebenen intellektuell einigermaßen folgen können, aufmerksam zuhören oder lesen und sich sachkundig oder mindestens interessiert einbringen. Daneben wird eine Fähigkeit immer wichtiger. Mittels der eigenen Medienkompetenz muss man die Glaubwürdigkeit der Quelle und der Aussage bestimmen oder mindestens abschätzen können!

Hier beginnen die Schwierigkeiten aber sehr schnell, denn wer führt schon noch ergebnisoffene und gut reflektierte Gespräche. Zumindest im öffentlichen und politischen Raum vermisst man sie sehr. Viele gute Ideen und Vorschläge sind alleine deswegen durchgefallen, weil sie vom Gegenüber eingebracht wurden, selbst wenn die Schlussfolgerungen logisch und Maßnahmen zielführend sind. Volksverführer bauen potemkinsche Dörfer auf und unterlegen diese mit hanebüchenen Beweisführungen.
Dem Macher gilt die volle Aufmerksamkeit, dem überlegenden Zauderer gehört die Häme. Was natürlich nicht heißen soll, dass man in der Praxis nicht häufig zügig zur Findung tragfähiger Lösungen kommen muss. Dann müssen die zielführenden Überlegungen, Abstimmungen und daraus resultierenden Handlungsanweisungen eben im Vorfeld sorgfältig abgewogen worden sein. Wenn dann doch einmal eine Entscheidung nach dem Grundsatz „Try and Error“ erfolgen muss, sollte zwingend eine Evaluation eingeplant werden.

Das aus Politik, Medien und allen mit Dogmen durchsetzten Gesellschaftsbereichen (Religionen usw.) bekannte Phänomen der
Alternativlosigkeit findet aber leider auch immer mehr in privaten Diskurs Einzug.
Gut zuhören sowie wertschätzend und folgerichtig argumentieren wird immer seltener. Gutdurchdachte, abgestimmte, praktikable und effiziente Lösungen werden dadurch zur Mangelware.

Gutes Zuhören zeichnet sich dadurch aus, dass man
– in Ton und Gestik zurückhaltend ist,
– den Gegenüber aussprechen lässt,
– relevante und offene Fragen stellt und
– Argumente aufgreift und in der eigenen Argumentation aufarbeitet.

Gutes Argumentieren zeichnet sich dadurch aus, dass man
– Gedanken logisch entwickelt,
– sich in der Runde verständlich und nachvollziehbar ausdrückt,
– auf Quellen verweist,
– Gegenargumente entgegennimmt und
– die eigenen Gedanken an den Gegenargumenten misst.

Die Grundsätze, dass ein Diskurs wertschätzende geführt wird und eine Aussage oder Beweisführung nur so lange gilt, bis sie durch eine stichhaltigere ersetzt wird, müssen Prämissen sein.